Der Rechtsanwalt Vogel spielte bis 1989 den Haupthehler bei diesem inner­deutschen Handel. Er sah sich selbst wohl als eine Mutter Teresa, er stand wie Brechts Vater- und Muttermörder Jakob Apfelböck im milden Licht. Er firmierte ab den siebziger Jahren offziell als »Beauftragter des Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker für humanitäre Fragen«. Helmut Schmidt und Hans-Dietrich Genscher verteidigten nach dem Ende der DDR seine Tätigkeit zwischen den Fronten des Kalten Krieges. In der Regel eskortierte der Menschengroßhändler im Mercedes seine lebende Ware, die Busladung freigekaufter Häftlinge, bis an den Grenz­übergang zur Bundesrepublik. Ein Halt vor dem Niemandsland. Vogel stieg dann in den Bus der Häftlinge und hielt seine Standard-Ansprache. Darin ermahnte der innerdeutsche Händler die Freigekauften zur Verschwiegenheit, damit nicht durch bösartige Berichte in der westlichen Skandal- und Lügenpresse in Zukunft dieser humanitäre Häftlingsexport zum Erliegen kommt. Zwischen 1964 und 1989 wurden auf dieser innerdeutschen Handelsroute fast 34 000 politisch Verurteilte freigekauft. Das Kopfgeld war ein fest eingeplanter Posten der DDR-Volks­wirtschaft. Ein Teil der so erwirtschafteten West-Valuta kam dem DDR-Volk zugute: Import von Bananen und Apfelsinen, begehrte Bückware vom Weltmarkt, lauter Leckerli für die eingemauerten Landeskinder »zur immer noch besseren Befriedigung der Bedürfnisse unserer Menschen«.

—Wolf Biermann, »Warte nicht auf bessre Zeiten!«, (Berlin: Ullstein Buchverlage GmbH, 2016), 300-301.

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