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07.12.1970
„Man musste irgendetwas tun“
Mit dieser Geste hatten eigentlich alle irgendein Problem. Für den Ersten Sekretär der Kommunistischen Partei Polens, Władysław Gomułka, war der Besuch Willy Brandts die Krönung seiner jahrelangen Bemühungen um die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze. Das war nicht einfach gewesen, auch weil Walter Ulbricht aus seinem Ärger kein Geheimnis machte: schließlich hatte die DDR die Grenze schon lange anerkannt – wozu brauchte Polen jetzt unbedingt auch die westdeutsche Bestätigung? Gomułka allerdings wusste genau, welche große Bedeutung für ihn eine solche Erklärung von beiden deutschen Staaten hatte, und deswegen sollte der Besuch Brandts zu seinem ganz persönlichen Triumph werden. Gomułka wollte im Mittelpunkt des Ereignisses stehen.Objektiv gesehen, war der Besuch tatsächlich ein Erfolg für Warschau. Auf diese Weise war für die Bewohner der polnischen Westgebiete (also des vom Dritten Reich verlorenen Terrains) endlich die Zeit der Unsicherheit vorbei. Ob in Stettin oder Breslau – diese Unsicherheit war damals immer noch sehr gegenwärtig: die Menschen dachten, womöglich seien die Nachkriegsgrenzen nur ein Provisorium, das die nächste geopolitische Umwälzung nicht überleben würde.
Wenn Brandt vor dem Grabmal des Unbekannten Soldaten gekniet hätte: das hätte man noch in den offiziellen Narrativ einbauen können, aber vor dem Ghettodenkmal? Gomułkas Verlegenheit war auch deswegen so groß, weil dieser gerade erst vor zwanzig Monaten eine ekelhafte antisemitische Kampagne losgetreten hatte, wegen der Tausende polnischer Juden – Holocaust-Überlebende – das Land für immer verlassen hatten. Und die, die geblieben waren, verloren ihre Arbeitsplätze und wurden ziemlich grausam schikaniert. Auch das war ein Grund, warum der Kniefall vor dem Ghetto—Denkmal erfolgreich von der kommunistsichen Zensur aus dem kollektiven Gedächtnis der Polen für viele Jahre gelöscht wurde.
Ω Ω Ω
In einem Gespräch im Familienkreis beschrieb er [Brandt] seine Motive allerdings auf prosaischere und vielleicht auch ehrlichere Weise: „Man musste irgendetwas tun.“
Ω Ω Ω
…begannen kaum eine Woche nach dem Besuch Brandts ganz andere Ereignisse und Symbole, unsere Emotionen zu prägen.
Am 13. Dezember beschloss Gomułka eine drastische Erhöhung der Lebensmittelpreise. Schon am Tag darauf brachen Proteste aus, die von Polizei und Militär blutig niedergeschlagen wurden. In meiner Stadt brannte die Zentrale der Kommunistischen Partei, auf streikende Werftarbeiter und Demonstranten wurde in den Straßen geschossen, und zufällige Passanten niedergeknüppelt. Zum ersten Mal im Leben spürte ich am eigenen Leib, was Unterdrückung durch ein autoritäres System eigentlich heißt.
Zum Symbol des Jahres 1970 wurde also für mich, wie auch für das kollektive Gedächtnis der Polen, nicht die historische Geste Brandts, sondern Tote und Brände in den Straßen unserer Stadt. Ironie der Geschichte: dieser blutige Aufstand spielte sich ab in Danzig, Stettin und Elbing, also just in den Gebieten, deren Zugehörigkeit zu Polen gerade durch Gomułka und Brandt endgültig bestätigt worden war.
Ω Ω Ω
Aber kehren wir zurück zu den Worten Willy Brandts: „Man musste irgendetwas tun.“ Wenn ich heute zurück blicke, verstehe ich sehr gut, wie wichtig dieser ganz einfache Imperativ ist. Nicht endlos kombinieren und kalkulieren. Ich weiß ja nicht genau, wie es in Wirklichkeit ablief, aber ich will glauben, dass er niederkniete, weil „man etwas tun muss.“ So wie damals, als er eine norwegische Uniform anzog. So wie diese Polen, die unter Lebensgefahr in der Shoah Juden versteckten, so wie die Danziger Arbeiter, die sich den Panzern entgegen stellten. So wie heute die Frauen in Minsk, in Belarus, die demonstrieren, obwohl sie niedergeknüppelt werden. Ganz zu schweigen von den Helden des Warschauer Ghettos, die auch wussten, dass „man etwas tun musste“.
Diese essentielle Botschaft ist heute so gültig und so wichtig wie eh und je. Ich möchte sie allen Europäern widmen, und besonders den europäischen Politikern. Wenn wir unseren Werten treu bleiben wollen, dann müssen wir manchmal niederknien. Und manchmal auf den Barrikaden stehen. Mutig und kompromisslos im Angesicht des Bösen, bescheiden im Angesicht der Wahrheit und des Leidens. So wie Willy Brandt am 7. Dezember 1970.
Seymour Hersh on the „ceasefire“ in which Israel destroys hospitals, schools and mosques and social and financial institutions and targets ambulance drivers and emergency healthcare workers
An expert on international negotiations recently gave me a blistering assessment of the ceasefire that some leading American newspapers have hailed as a significant step toward peace. The Western media has fostered hope that a similar agreement can be reached with the diminished Hamas leadership to bring the surviving October 7 hostages, if there are any, home from Gaza.
“It is a bizarre agreement,” the expert told me. “There are no signatory parties on behalf of Country A, Country B. It is not even an agreement. It’s an announcement by the US and France that they understand X, Y and Z. It’s all about what the US and France understand but not the obligations of the parties.”
The expert said that the ceasefire is in no way “legally binding and has no duration … but US officials have said it is designed to be permanent.” The peace, if it comes, will be monitored by soldiers of the reinvigorated Lebanese Armed Forces, whose formerly demoralized troops were recently described by the Economist as one of the few respected institutions left in a chronically fragmented country. Adding to the complications, the expert said, is the fact that most LAF soldiers “view Israel as the enemy, especially since Israel is burning one-third of the country to the ground. The army will never let itself be used against Hezbollah. LAF was always a force for internal security . . . just as [are] all Middle Eastern armies the US controls and arms and trains. . . . And if the US cares so much about the LAF then why is it letting the Israelis kill LAF soldiers and officers?”
The expert was referring to the fact that the Israeli military and air force have continued their attacks in southern Lebanon under the auspices of a side ceasefire agreement between the US and Israel that permits such attacks to take place up to fifteen miles north of the border with Israel, and sometimes miles beyond that limit if intelligence warrants them. The agreement also enabled those who had fled their homes in northern Israel and southern Lebanon to return. Roads on both sides of the border have been filled by those desperate to return home. Many of the returning Lebanese are Shia supporters of Hezbollah.
Reports in the Western media largely depict the near daily Israeli bombing in Lebanon as primarily aimed at Hezbollah targets. Not so, said the expert, who has been monitoring the Middle East for decades. “Israeli jets were not bombing Hezbollah positions throughout Lebanon,” he told me. “They were destroying every Shia village and neighborhood in the country. They were destroying hospitals, schools and mosques and social and financial institutions, and they were targeting ambulance drivers and emergency healthcare workers.”
Ω Ω Ω
The Biden administration, he said, “has not been engaged in diplomacy. It has just been delivering Israeli ultimatums demanding that Hezbollah and Lebanon surrender.”
Ω Ω Ω
What is to happen, I asked, to the two million or so Palestinians still being bombed and starved and deprived of clean drinking water or any semblance of decent housing and sanitation, with no sign of support from the Arab and Western world and no way to flee Gaza?
The answer, in essence, was a question: What happened to the American Indians in the plains of the Dakotas?
30 Jahre Budapester Memorandum
Russland hat den entsprechenden Punkt des Budapester Memorandums in seine erneuerte Nukleardoktrin aufgenommen. Das Datum der Unterzeichnung der russischen Doktrin durch Präsident Putin (19. November) fiel mit dem Tag zusammen, an dem amerikanische ATACMS-Raketen (300 Kilometer Reichweite) unter amerikanischer Führung auf Ziele in Russland abgefeuert wurden.
Bluesky has serviced me
Be careful, gentle reader! The label here protects you from Graphic Media, which may shock and offend the eyes of the unwary. Are you sure you really want to reveal the image hidden here? 🤔
It is really difficult to argue that the war is still a kind of “people’s war” if the majority of Ukrainian men actually do not want to fight. The extent to which they are ready to articulate this position depends also on their fear of repression. It’s difficult to say this within the Ukrainian public sphere – that kind of criticism exists mostly in closed chats, “friends-only” Facebook accounts, and so on, and is only very cautiously articulated in publications.
Craig Murray on Israel/Lebanon „ceasefire“
The Lebanese government have recorded 51 breaches of the ceasefire by Israel in three days.
The United States and its allies have designated Hezbollah as a terrorist organisation – a FTO in US legal parlance. The USA – which is set up as the arbiter of the ceasefire – therefore views any military action by Israel against anyone or anything deemed “Hezbollah”, anywhere and anytime, as a legitimate counter-terrorism operation.
The USA therefore simply takes the view – and the UK will take the same view – that each and every attack by Israel is not a violation of the ceasefire, but legitimate counter-terrorism.
There is no doubt of this whatsoever.
Lebanon can do nothing to monitor or prevent the reinforcement of Israeli positions in Southern Lebanon (spoiler – Israel has no intention of ever withdrawing) because the ceasefire stipulates not only that the Israeli army has sixty days leisure to leave Southern Lebanon, but that in that sixty days the Lebanese armed forces cannot enter the areas Israel is occupying: including not taking control of their own Southern border and thus they cannot check what troops and weapons Israel is moving across unopposed.
Ω Ω Ω
The United States holds all of the cards. The Lebanese Armed Forces are the only army I can think of in modern history which “remained neutral” when their country was invaded. The Lebanese Armed Forces are literally in the pay of the United States.
This is a complex country. The truth is that the majority of the soldiers of the Lebanese Army would in fact defend their country against Israel given half the chance, while their leadership has other ideas entirely and has US-backed political ambitions.
The United States is a party to the conflict. The bombs falling on Lebanese heads are American bombs, dropping from American planes. The United States is put in charge of the “peace” by this Agreement. The current US Imperial hegemon is having its coat carried by the former colonial power France, in exchange for which honour France granted immunity to Netanyahu for war crimes.